Auf dieser Seite lesen Sie aktuelle Information des Bruder-Konrad-Vereins Parzham e. V., allgemeine Informationen lesen Sie unter: www.bruder-konrad-hof.de
Predigt von Bischof Dr. Stefan Oster SDB
Predigt von Br. Georg Greimel zum Bruder-Konrad-Fest am 1. Mai 2014
Darum intensiviert der junge, 20jährige Hoferbe seine Suche nicht zuerst nach dem, wie er in den Augen Gottes als Bauer leben soll, sondern was in seinem Leben noch drin ist, was Gott noch von ihm und mit ihm vorhat. Die Volksmission in St. Anna Ering a. I. 1838 hat sehr viel Volk angezogen. Man spricht von 40.000 Kommunionen, die ausgeteilt wurden. Den 20jährigen Birndorfer Hans hat sie verändert, er ist noch nachdenklicher geworden. In der Folge hat er sich einem sehr aufgeschlossenen Kaplan anvertraut. Neun lange Jahre geht er zu ihm den weiten Weg von Parzham nach Aigen am Inn. Am Ende dieser neunjährigen, regelmäßigen Begleitung seht der Entschluss, ins Kloster zu gehen und bei den Kapuzinern einzutreten.
Predigt von Dompropst Hans Striedl zum Bruder-Konrad-Fest am 1. Mai 2013
Predigt von Pfr. i. R. Alois Anetseder zum Bruder-Konrad-Fest am 1. Mai 2012
Predigt von Prof. Dr. Konrad Baumgartner zum Bruder-Konrad-Fest 2009
Konrad Baumgartner
Bruder Konrad – der Heilige des Alltags
Festpredigt am 1. Mai 2009 in Parzham
Vom heiligen Alexius, der als Sohn reicher römischer Eltern im 4. Jahrhundert geboren wurde, wird folgende Geschichte erzählt. Er sei nach seiner Hochzeit ins Heilige Land gepilgert und habe dann in Edessa, dem heutigen Urfa, dem biblischen Ur in Chaldäa, von wo Abraham einst aufgebrochen ist, gelebt und zwar in vollkommener Armut. Nach vielen Jahren sei er wieder in sein Elternhaus in Rom zurückgekehrt. Wegen seines verwahrlosten Aussehens habe ihn aber niemand mehr erkannt. Wie ein Bettler habe er unter der Treppe des Hauses bis zu seinem Tode gelebt, vom Gnadenbrot seiner Angehörigen. Erst nachdem er verstorben war, habe man einen Brief von ihm an seinen Vater gefunden, in dem er sich zu erkennen gab.
Wegen seines verborgenen heiligmäßigen Lebens wurde Alexius vor allem im Mittelalter in vielen Ländern hochverehrt. Ein Ausdruck dafür sind die sogenannten „Alexius-Stiegen“, die zumeist in Klöstern zur Erinnerung an ihn gebaut wurden: in Wien und in Säben, in Landshut und Wörishofen, in Eichstätt – und in Altötting, im St. Anna-Kloster, wo der heilige Bruder Konrad gelebt hat. Viele Stunden, ja, ganze Nächte verweilte er im Gebet in dieser Alexius-Zelle, unter der Stiege des Klosters. Durch ein Fenster kann man noch heute, wie damals Bruder Konrad, zum Tabernakel der Kirche blicken und unseren Herrn im Sakrament des Altares verehren.
Nun verstehen wir, was Papst Johannes Paul II. bei seinem Wallfahrtsbesuch in Altötting am 18. November 1980 gemeint hatte, als er sagte: „Wir sehen den heiligen Bruder Konrad in der (Alexius-)Zelle knien – vor dem Fensterchen, das man ihm eigens durch die Mauer gebrochen hatte, damit er immer zum Altar der Kirche schauen konnte.“ Und der Papst fügte hinzu – es ist das Motto für unser „Bruder-Konrad-Jahr“ und für die heutige Predigt: „Durchbrechen auch wir mitten im Alltag die Mauer des Sichtbaren, um immer und überall den Herrn im Auge zu behalten!“ – Papst Benedikt XVI. hat am 11. September 2006 bei seinem Besuch in Altötting hinzugefügt: „Von diesem Blick her hat Bruder Konrad die nicht zu zerstörende Güte gelernt, mit der er den Menschen begegnete … Ohne große Worte hat er durch seine Güte und Menschlichkeit eine Botschaft geschenkt, die mehr wert war als bloße Worte.“ Bruder Konrad ist so der „Heilige des christlich gelebten Alltags“ geworden.
Unser Alltag: in Schule und Arbeit, im Urlaub und in der Freizeit, in Ehe und Familie, in der Öffentlichkeit der kleinen und der großen Welt. Weithin ist „Alltag“ für uns negativ besetzt. Wir sprechen vom „grauen Alltag“, vom „Einerlei des Alltags“, von den „Alltagssorgen“, vom „täglichen Stress“, von der „Mühle des Alltags“. Der Alltag ist der Werk-Tag: der normale, gewöhnliche Tag, angefüllt mit Arbeit von früh bis spät, von kleineren und größeren Sorgen, aber auch von Überraschungen und Freuden. Für nicht wenige ist der Alltag heute belastet von Arbeitslosigkeit oder der Angst vor ihr, vor Krankheit und Alter. Der weitaus größte Teil unseres Lebens besteht aus Alltag; das Wochenende, die Sonn- und Feiertage sind uns zum Ausruhen, zum Gottesdienst und zum Dienst am Nächsten gegeben: als Frei-Zeit und als Sozial-Zeit.
Wie können wir – trotz aller Belastungen und in allen Sorgen – den Alltag unseres Lebens sinnvoll leben, als Menschen und als Christen?
Nur auf den ersten Blick scheint es, dass das Leben von Bruder Konrad uns dafür kaum Orientierung geben kann. War er nicht ein Ordensmann, der fernab vom „normalen Leben“ aus „lauter Beten, Büßen und Almosengeben zusammengesetzt war“, wie man gemeinhin über ihn urteilte, ein weltfremder Sonderling? Wer sein Leben, seinen Alltag, näher und tiefer betrachtet, der entdeckt: Bruder Konrad hat „das Gewöhnliche außergewöhnlich gut getan“ (Karl Kleiner), weil er sein Leben „in der ständigen Gegenwart Gottes“ gelebt hat: im „Dienste Gottes und der Menschen“ (P. Joseph Anton Kessler): „in Gott verwurzelt und den Menschen verpflichtet“.
Der Alltag von Bruder Konrad: schon zuhause, hier auf dem Parzham-Hof, und erst recht dann an der Klosterpforte von Altötting, er war von früh bis spät angefüllt mit Arbeit und mit vielfältigen Beanspruchungen. Hunderte von Wallfahrern kamen in Altötting täglich an die Klosterpforte: „die einen brauchten die Patres, um ihre Devotionalien zu weihen, Seelsorger, die einen Beichtvater wollten, die den Guardian wegen einer Aushilfe in einer Pfarrei außen sprechen wollen … die Patres selber kamen und gingen. Viele Gläubige läuteten, um Messen einzugeben, einen Missionsbeitrag oder Almosen einzuzahlen. Dazu die vielen Handwerksburschen und Bettler, die Kinder, die alle eine Suppe, ein Stück Brot oder vielleicht auch Geld wollten. Oft läutete es bis zu zweihundertmal an der Pforte … Der Pförtner musste nebenher verschiedene Bücher und Kassen, Messstipendien-, Bonifatiusvereins-, Missionskasse in Ordnung halten … Bruder Konrad hatte dazu noch einen Teil der Aufgaben des Mesners übernommen … Nur mittags war eine Stunde Ruhepause … All das hieß, den ganzen Tag auf den Füßen sein … So ein Tag war eine großartige menschliche Leistung. Aber das Beten und die Versenkung, die innere Sammlung, die Gegenwart Gottes im Geiste sollten nicht darunter leiden … Bruder Konrad gelang diese einzigartige Komposition von Sammlung in sich und Offenheit für den Menschen draußen.“ So schreibt Alois Winklhofer, der Theologieprofessor aus Engertsham, sein Landsmann aus dem Rottal. Und weiter: „Er blieb eingeschlossen in eine lichte innere Welt und hatte doch viele Fenster nach außen.“
Die Mauer seines Alltags war durchbrochen: auf die Gegenwart Gottes hin, die er im Gebet während der Arbeit, in bewussten Pausen der Stille und in den offiziellen Gebetszeiten, vor allem aber auch in der Feier der Eucharistie und durch die tägliche Heilige Kommunion in sich bewahrt hat. Dabei war das „Kreuz sein Buch“: immer wieder hat er es in Liebe betrachtet.
Der Bruder Konrad – der „Heilige des christlich gelebten Alltags“, möchte uns einladen und dazu ermutigen, dass wir sowohl auf eine „Ethik des Alltags“ als Christen bedacht sind, dass wir eine „Spiritualität des Alltags“ leben, aber auch eine „Spiritualität im Alltag“.
Das bedeutet: unser Alltag, unser Denken, Reden und Handeln muss an Gottes Geboten orientiert sein und bleiben. Es geht um die Haltungen und Tugenden, welche wieder neu als „lebensnotwendig“ erkannt werden – solide Arbeit, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit statt Lüge und Gaunerei, im privaten wie im öffentlichen Leben; Treue und Verlässlichkeit statt Verrat an Partner und Familie; Geduld und Hilfsbereitschaft statt Zorn, Egoismus und Mobbing, bereits in der Schule und später im Beruf. Eine solche „Ethik des Alltags“ lebt aus der Verantwortung vor Gott, dem wir Rechenschaft schulden für unser Leben, für unsere Mitmenschen, auch für seine Schöpfung – in Liebe und Dankbarkeit. Solche Haltungen bilden die „Spiritualität des Alltags“, Bruder Konrad ist uns dafür ein wertvolles Vorbild.
Und unser Alltag braucht gerade dafür auch „die Fenster zur Transzendenz“. Wir brauchen die „Unterbrechung“ – Unterbrechung ist die kürzeste Definition von Religion. „Unterbrechung“ ist für unser Menschsein und Christsein notwendig: durch Zeiten des persönlichen und gemeinsamen Gebetes, durch die Lesung und Meditation der Heiligen Schrift und des geistlichen Schrifttums, durch religiöse Sendungen in Funk und Fernsehen, durch Tage der Besinnung und der Exerzitien, durch die Mitfeier der Liturgie und der Sakramente. Es geht um ein Leben in der ständigen Gegenwart Gottes: „nicht nur öfters und mit Andacht an Gott zu denken, nicht nur seine einzelnen Gebote zu halten, sondern die gewaltige Nähe seines absoluten Wesens zur steten Begleitung unseres Lebens zu haben und darin die Liebe und in der Liebe die Forderung nach Liebe zu begreifen.“ (Adrienne von Speyr, in: IKZ 31/2002, 398). Papst Benedikt sagt es so: „wichtig ist, dass wir selber sozusagen im Atemraum des Heiligen Geistes bleiben, in Berührung mit ihm sind. … Der Heilige Geist ist der Atem Jesu Christi, und wir müssen uns von Christus sozusagen immer neu beatmen lassen, damit in uns dieser neue Atem lebendig und kraftvoll wird und in die Welt hinein wirkt … Es geht um ein Leben mit Christus aus dem Heiligen Geist, im Wort Gottes, in der Gemeinschaft der Kirche.“ (Gespräch mit Priestern am 6. August 2008 in Brixen). So wächst durch die Gnade Gottes unser Christsein im Alltag und für den Alltag, so reift in uns das Leben mit Gott heran: das „Leben in Christus und mit ihm“ – ein Heiligsein in jeweils unseren Dimensionen, das sich ich Alltag bewährt – „gegen ein zunehmendes ´Schein-Heiligsein´, das nur an Sonntagen oder an hohen Feiertagen praktiziert wird, ein Heiligsein, das man in einen seltsamen Himmel verschiebt und das ein vom Heiligen entleertes gottloses Heute zur Folge hat“ (Anton Schmid, in: ebd. 389).
Jesus hat seinen Jüngern versprochen: „Ich bin bei euch alle Tage …“ (Mt 28,20). Das bedeutet: im Alltag ist er bleibend bei uns, als eine „Quelle, die uns durch den Alltag begleitet und unser Leben zu einem wesentlichen, christlichen und heiligen Leben macht … (um so) in uns für Gott Raum zu schaffen … Vom Glaubenden ist nur gefordert, dass er sein Leben dem Leben des Wortes in ihm zur Verfügung stelle“ (von Speyr, ebd. 392).
Der Alltag des heiligen Bruder Konrad war „ein dauerndes Gespräch mit Gott“, der verborgen-nahe Gott ist zum ständigen Begleiter seines Lebens geworden. Bruder Konrad lebte schon hier im ewigen Leben, sein Sterben war Hinübergang über die Schwelle zum Leben mit dem Dreifaltigen Gott und mit allen in ihm bereits Vollendeten.
Heute, am Festtag von Maria, der Schutzfrau Bayerns, und zugleich am Festtage des Bräutigams, des Heiligen Josefs, des Schutzpatrons der Arbeiter, „bitten wir den heiligen Bruder Konrad, dass er uns hilft, alle Tage unseres Lebens den Blick auf den Herrn gerichtet zu halten“ (Benedikt XVI. in Altötting) – bis wir ihn schauen dürfen von Angesicht zu Angesicht. Amen.
Festpredigt von Prof. Dr. Konrad Baumgartner in Altötting zum 75. Jahrestag seiner Heiligsprechung 2009
Konrad Baumgartner
Bruder Konrad – im Zeugnis der Menschen
Festpredigt am 19. April 2009 in Altötting
zum 75. Jahrestag seiner Heiligsprechung
Liebe, zur Verehrung des heiligen Bruder Konrad versammelte Mitchristen,
haben Sie das gewusst: der große Münchener Volksschauspieler und Komiker Weiß Ferdl ist als kleiner Bub sehr oft dem Bruder Konrad begegnet. Die gebürtigen Altöttinger wissen es: Weiß Ferdl, der eigentlich Ferdinand Weisheitinger geheißen hat, ist 1883 in Altötting geboren und hier am Gnadenort aufgewachsen. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er: „Als Knabe sang ich im Kirchenchor der St. Annakirche (der jetzigen Bruder-Konrad-Kirche) mit. Ein alter weißhaariger Kapuzinerbruder sperrte mir damals immer die Klosterpforte auf. Er war sehr ruhig und redete fast gar nichts. Nur wenn wir Singbuben von der Chorstunde herunterkamen und geräuschvoll hinaus trachteten, an den armen Kindern vorbei, die eine Kapuzinersuppe kriegten, aber auch beten mussten, tadelte er ab und zu: ´Trappt´s net so!´ Wir Singbuben beachteten ihn wenig. Wenn er uns an den Ohren genommen hätte …, hätten wir wohl mehr Respekt gehabt. Das aber tat der Bruder Konrad nicht. Wir haben nicht geahnt, dass der stille Bruder später als Konrad von Parzham heilig gesprochen werden sollte“ (aus: Weiß Ferdl erzählt sein Leben. München 1971, 7-13).
Der Heiligsprechung von Bruder Konrad am 20. Mai 1934 durch Papst Pius XI. gedenken wir in diesem „Bruder-Konrad-Jahr“ und in diesen Tagen beim festlichen Triduum. Heute möchte ich Sie, liebe Mitchristen, dazu einladen Zeugnisse des Glaubens über diesen stillen Heiligen zu hören und daraufhin uns selbst zu fragen: Wer ist Bruder Konrad für mich, für uns und für unsere Zeit?
Zunächst hören und bedenken wir Zeugnisse von Menschen, die dem Bruder Pförtner persönlich begegnet sind, die ihn selbst erlebt und die über ihn das Zeugnis abgelegt haben: „Uns ist ein Heiliger begegnet!“
Auf dem Kapuzinerfriedhof im Schatten dieser Basilika ist auch P. Joseph Anton Kessler bestattet. Seinem unermüdlichen Einsatz und der Hilfe des heiligen Bruder Konrad verdanken wir diese wunderbare Pilgerkirche hier. Er war auch der Postulator beim Selig- und Heiligsprechungsprozess von Bruder Konrad. „Im Dienste Gottes und der Menschen“, so heißt das Büchlein mit dem ersten, von P. Joseph Anton herausgegebenen „Lebensbild des Dieners Gottes Bruder Konrad von Parzham“, München 1928. Darin wird schon die Stimme des niederbayerischen Volkes vernehmbar, das über die Kinder- und Jugendjahre ihres Landsmannes das Urteil abgab: „Der Birndorfer Hansl wird noch ein Heiliger“ (19). Von seiner Umgebung wegen seiner ungewöhnlichen Frömmigkeit zunächst belächelt oder gar verspottet, sagten die Leute dann nachdenklich: „So sollten wir auch beten wie der Hansl“, oder: „Der Hansl war schon ein Engel, bevor er ins Kloster gegangen ist. Aus lauter Beten, Büßen und Almosengeben war er zusammengesetzt“ (26).
„Über die Jahre von Bruder Konrad im Kapuzinerorden – von 1849-1894 – haben wir viele Nachrichten von Mitbrüdern, von Priestern und Weltleuten, die an die Pforte von St. Anna in Altötting kamen … Die vielen Zeugenaussagen vor dem Bischöflichen Gerichtshof anlässlich des Informativ-Prozesses in Passau … reden von der Geduld und Freundlichkeit (des Bruder Konrad) inmitten der vielen Beanspruchungen an der Pforte; von der Klugheit, mit der er immer das Rechte tat bei den vielen und vielfältigen Diensten …; von seinem unermüdlichen Gebetseifer, seinem immerwährendem Gebet, von seinem Buß- und Opfergeist“ (Alois Winklhofer, Der heilige Bruder Konrad von Parzham. Regensburg 1979, 31) – mitten im Alltag seiner Aufgaben und in so manchen Spannungen mit seinen Mitbrüdern im Orden. Die Kraft dafür erwuchs ihm aus seinem „Leben in der ständigen Gegenwart Gottes: im Dienst vor Gott und für die Menschen.“ „Er schien in sich mit Gott eingeschlossen und nicht aus sich herauszuschauen – und sah doch jedem ins Gesicht und ins Herz“ (Winklhofer 42). Der Hausarzt des Klosters gab im Seligsprechungsprozess das Urteil über Bruder Konrad ab: „Der Beruf des Pförtners in Altötting ist wohl der schwierigste und mühevollste in der ganzen Ordensprovinz … Bruder Konrad war ein stiller Held in der Klosterzelle. Unter den Ordensbrüdern war er eine Leuchte, hervorragend über die Andern“ (Kessler 55f).
Bruder Konrad gewann die Herzen aller mit seiner aufrichtigen, unbegrenzten Nächstenliebe. Seine Armen gingen ihm über alles. Er gab ihnen Brot für Leib und Seele, er übte ein echtes „Apostolat des Trostes“ für viele notleidende und sorgenbeladene Menschen. Und die armen Kinder waren seine besonderen Lieblinge und er war ihr besonderer Freund. „Wer (damals) in Altötting nach Bruder Konrad fragte, dem hat jedes Kind sofort mit leuchtendem Antlitz Aufschluss gegeben und bereitwilligst den Weg gezeigt“ (Kessler 63-65). Eines dieser Kinder bezeugte später: „Wenn wir an die Pforte kamen, ermunterte Bruder Konrad uns stets zum Gebet und betete selbst mit uns“. Und dann schnitt er vom großen Laib Brot für jedes von uns ein Stück ab.
Natürlich gab es auch unter den vielen Tausenden, die dem Bruder Pförtner begegnet sind, solche, die mit ihm und seiner Art nicht zurechtkamen, die unzufrieden waren oder ihn ablehnten. Er sei, so heißt es, zuweilen „grantig“ gewesen, „erregt“ oder auch „zornig“, sehr zurückhaltend gegenüber dem weiblichen Geschlecht, von einem „morosen grämlichen Klosterbruder“ hieß es gar in einem Nachruf auf ihn im „Altöttinger Liebfrauenkalender“ von 1896.
Hunderte solcher Aussagen seiner Zeitgenossen wurden von Passau und dann in Rom eingehend auf den „Tugendgrad“ von Bruder Konrad geprüft. Sie bestätigten im Grunde nur den Ruf, der sich schon während der 31 Jahre seines Lebens zuhause im Rottal und dann über 41 Jahre hin in Altötting immer mehr verbreitete: dieser Bruder lebte nicht bloß heiligmäßig, er war ein wirklicher Heiliger.
Schon zu Lebzeiten verehrte man ihn, suchte seinen Rat, bat ihn um sein Gebet und seine Hilfe. „Sofort nach seinem Tod beginnt das Volk ihn anzurufen, es erfolgen Gebetserhörungen.“
Am 15. Juni 1930 wurde Bruder Konrad seliggesprochen. Diese Seligsprechung wäre übrigens fast gescheitert – an seiner Gutherzigkeit. Beim Prozess wurde nämlich auch ein Vorfall aus der Zeit von Bruder Konrad als Klosterpförtner berichtet. An einem glühend heißen Sonntag, so hatte irgendjemand zu Protokoll gegeben, habe der Bruder Pförtner einer erschöpften Frau zwei Krüge Bier gereicht. Wer aber eine Frau berauscht mache, könne kaum ein Heiliger sein, für andere ein Vorbild. Der damalige Münchener Kardinal Michael von Faulhaber argumentierte in einem Gegengutachten etwas spöttisch: der Vorwurf ist absolut unglaubwürdig, denn eine gestandene bayerische Frau werde niemals von zwei Krügen Bier betrunken. Aufgrund von zwei natürlich nicht erklärbaren Krankenheilungen auf die Fürsprache von Bruder Konrad wurde er dann am 30. Mai 1934 heilig gesprochen.
Aus dem vielstimmigen Chor derer, die über den Heiligen Rühmendes gesagt oder geschrieben haben, wollen wir nun einige Zeugnisse hören: von Päpsten und Bischöfen, von Priestern und Theologen, aus Predigten und Büchern. Bei vielen Aussagen werden wir in unserer Verehrung bestätigt werden, manche werden uns auch den Heiligen in neuem Lichte sehen helfen.
Bei der Heiligsprechung von Bruder Konrad sagte Papst Pius XI. in einer Festpredigt: „Es gab nichts Auffällig-Wunderbares in seiner täglichen Lebensweise, nichts Außerordentliches. Aber alles geschah auf das getreueste nach der Richtschnur der Liebe, des Gehorsams und der Religion.“ Eugen Kardinal Pacelli, der spätere Papst Pius XII., sagte damals: „glücklich das Bayerland, glücklich das Deutschland, dem in schwerer, von düsteren Wolken überschatteter Zeit ein neuer Fürbitter an Gottes Thron ersteht. Ein neues Vorbild christlichen Lebens in einer Zeit, wo laute und aufdringliche Diesseitspropheten versuchen, den Völkern die trügerische Fata Morgana einer Zukunft zu zeigen, die ihr Glück und ihre Größe nicht in Christus, sondern fern von ihm und gegen ihn suchen und finden soll …“. Pacelli war als Nuntius oft und gerne in Altötting. In einer Predigt sagte er 1937 über unseren Heiligen: „Ein demütiger, einfacher Bruder an einer Klosterpforte kann in hellerem Licht erstrahlen als etwa einer, der mit goldenem Zepter ganze Völker regiert … Der offene Klostervorraum war für ihn der Vorhof seines künftigen Paradieses … Als Schüler des Gekreuzigten flößte der heilige Pförtner Kreuzesmut und Kreuzestrost in die bedrückten Herzen.“
Am 18. November 1980 besuchte Papst Johannes Paul II. das Marienheiligtum in Altötting und kniete auch vor dem Schrein des heiligen Bruder Konrad. Vor dem Tabernakel in der Kirche betete er, den Blick wie Bruder Konrad aus seiner Alexius-Zelle gerichtet auf den in der Eucharistie gegenwärtigen Herrn Jesus Christus. In seiner Predigt gab Johannes Paul den Ordensleuten das Motto, das als Leitwort über unserem Bruder-Konrad-Jahr steht: „Durchbrechen auch wir – wie der demütig-frohe Pförtner – im Alltag die Mauer des Sichtbaren, um immer und überall den Herrn im Auge zu behalten!“ Und Papst Benedikt XVI., der schon als kleiner Bub und dann als Theologe, Bischof und Kardinal immer wieder zum Gnadenort gepilgert ist, sagte bei seinem Pastoralbesuch am 11. September 2006: „Bitten wir den heiligen Bruder Konrad, dass er uns hilft, den Blick auf den Herrn gerichtet zu halten und dass er uns so hilft, Gottes Liebe zu den Menschen zu bringen.“
Der frühere Bischof von Passau Franz Xaver Eder aber verweist auf die „Demut, die uns Bruder Konrad lehren könnte. Sie fordert von uns, das Leben aller, auch der Ungeborenen, zu schützen, sorgsam mit der Schöpfung umzugehen und verantwortungsvoll für die Zukunft der künftigen Generationen zu handeln“ (Grußwort zur Bruder-Konrad-Ausstellung in Asbach 1985).
Bruder Konrad „hat das Gewöhnliche außergewöhnlich gut getan“, schreibt einer seiner Mitbrüder (Karl Kleiner 90). „Er ist auch ein Geschenk der Kapuziner, der heilige Bruder Konrad … Und: Altötting hat ihm die Möglichkeiten zum Heiligwerden gegeben“, meinte der langjährige Administrator der Heiligen Kapelle, Robert Bauer (Bayerische Wallfahrt Altötting. Regensburg4 1989, 128). In seiner ersten Heimat im Rottal und in seiner zweiten, hier in Altötting, „hat er Gott in sich gefunden und bewahrt … ausgeschüttet in die kleinen Fußeindrücke der vielen unterschiedlichen Besucher war er einer, der vielen Menschen kleine Heimaten und Geborgenheiten in sich selber zu geben verstand … durch den Ausblick auf Gott“ (Winklhofer 65).
Jetzt müssten wir zu Wort kommen, liebe Mitchristen: wie sehen wir den heiligen Bruder Konrad? Was bedeutet er uns – für unser Leben und für unseren Glauben? Mit welchen Gebetsanliegen sind wir zu ihm gekommen, wie haben wir seine Fürbitte erfahren? Warum verehren wir ihn, warum ist er uns Vorbild und Stütze? Die Antwort darauf sollte heute und über den Tag hinaus jeder von uns geben: vor allem im Alltag durch ein Leben „im Dienste Gottes und der Menschen“.
Für mich steht Bruder Konrad am Beginn meines Weges zum Priesterberuf – hier in dieser Basilika habe ich am 4. Juli 1965 meine Primiz gefeiert. Er hat mich auf diesem Weg begleitet und geführt. Hier in Altötting bin ich geboren worden, bin ich aufgewachsen. Schon als Kind bin ich den Spuren meines Namenspatrons in staunender Ehrfurcht nachgegangen: in den verschiedenen Räumen des Klosters, wo der Heilige gelebt, gearbeitet und gebetet hat, in der Pforte, wo sich nach wie vor die Pilger mit den verschiedensten Anliegen einfinden. Ich kenne das Türchen vor dem Wandschrank, aus dem der Bruder Pförtner noch heute wie damals Bruder Konrad hungrigen Armen ein Stück Brot austeilt – in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg habe ich mich selbst in die Schlange der bettelnden Kinder eingereiht. Ich bin zusammen mit den sozial Schwachen und den durchziehenden Handwerksburschen im selben Speiseraum gesessen, in dem schon damals die Bettler die Armensuppe erhalten haben, von denen einer dem Bruder Konrad die Suppe ins Gesicht geschüttet hat, um seine angebliche Heiligkeit auf die Probe zu stellen. Ich kniete vor der engen Alexius-Zelle unter der Klosterstiege hinauf zum 1. Stock, in der Bruder Konrad ungezählte Stunden im Gebet und in der Andacht vor dem Tabernakel zugebracht hat. Oft und oft bin ich hinaufgegangen zur Mutter Gottes-Zelle im 1. Stock, wo Bruder Konrad die letzten Stunden seines Lebens zugebracht hat und wo er gestorben ist. Ich bin hinabgestiegen in die Gruft unter der Kirche, wo Bruder Konrad zur vorläufigen letzten Ruhe gebettet wurde, ehe seine Reliquien in die Kirche des Klosters übertragen worden sind. Dort vor dem Schrein bin ich immer wieder gekniet und schon im Kindergarten habe ich den Altar mit den brennenden Kerzen und dem Schrein mit dem Heiligen darum gemalt. Pater Joseph Anton hat bei einem Besuch im Kindergarten meine Zeichnungen angeschaut und meine Mutter daraufhin aufgesucht. Er meinte, ich sollte auch ein Kapuziner werden. Meine Freundschaft mit diesem P. Joseph Anton war so gut, dass ich am Tage seiner Beerdigung schulfrei bekommen habe.
Wenn ich all die Jahre zur persönlichen Wallfahrt heimgekommen bin, habe ich gerne zuerst den Heiligen Bruder Konrad besucht und bin dann, sozusagen an seiner Hand, in seiner Begleitung, den Berg hinaufgegangen zum Heiligtum unserer Lieben Frau von Altötting. Dort hat Bruder Konrad jeden Tag um 5.00 Uhr früh die Heilige Messe mitgefeiert, dabei ministriert und – mit besonderer Erlaubnis für damals – jeden Tag die heilige Kommunion empfangen. Das Gebet und die Begegnung mit dem Herrn haben ihm Kraft gegeben für den Tag. Nicht selten haben Mitfeiernde bei dieser heiligen Messe etwas Merkwürdiges wahrgenommen. Aus dem Mund des im Gebet versunkenen Bruder Konrad stiegen goldene Kugeln oder Feuerfunken zum Gnadenbild auf, ein leuchtender Glanz umgab sein Haupt. – Bruder Konrad war „ein Kunstwerk der Gnade, kein Theologe, aber ein Mystiker“ (Winklhofer 66).
„Verborgenes Leben und Weben in Gott, das ist die wahre, reine Mystik“, schreibt der große Theologe Johann Michael Sailer im Jahre 1803 in Landshut. „Der wahre Christ“, so fährt er fort, „sucht alles Heil in Gott allein, durch Christus.“ Das ist die Botschaft des Bruder Konrad für uns alle, für unser Leben mit Gott, bis es sich vollendet in seiner Herrlichkeit.