Predigt von Br. Georg Greimel zum Bruder-Konrad-Fest am 1. Mai 2014


Br. Georg Greimel, Altötting

Bruder-Konrad-Fest Parzham 1. Mai 2014

Bruder Konrad-Jahr: 120. Todesjahr, 80 Jahre Heiligsprechung , 30 Jahre Diözesanpatron

1 Kor 1,18-20.25-30; Mt 11,25-30

 
Die Predigt will unsere Zeit mit Bruder Konrad vergleichen:
Er ist ganz Gott verschrieben – „wie Gott will“ – , und wir?

-    Mobilität – Johann als Fußpilger

-    Individualismus – ein besonderes Individuum

-    Geld als Macht – sein Umgang mit Geld

-    Informationsgesellschaft – tiefere Informationen

-    Religion in Bedrängnis – Wie Gott will!

-    Massengesellschaft – Heiliger als Einzelkämpfer

-    Zuschauerrolle – Zeugen sein in Gott vergessener Welt.

Liebe Schwestern und Brüder aus der Heimat unsres hl. Bruder Konrad, liebe Konradverehrer/-innen,

gerne bin ich heute aus Altötting hierher gekommen. In Altötting ist heute S. E. Kardinal Gerhard Ludwig Müller aus Rom als Festprediger zu Gast. Und ich hoffe, die Basilika macht einen so gefüllten Eindruck wie der Venushof heute. Wir leben aus den Wurzeln unserer Geschichte und dem Beispiel bedeutender Menschen. Darum rufen wir sie uns Erinnerung, so wie den hl. Bruder Konrad.

Johannes Birndorfer, der spätere Bruder Konrad lebte von 1818 bis 1894 in einer Epoche großer Umbrüche und Entwicklungen von der Säkularisation bis zur industriellen Revolution mit ambivalenten Begleiterscheinungen. In diesem Jahrhundert ist er seinen Weg zielstrebig gegangen. Bei aller Bodenständigkeit schien sein Leben bisweilen übernatürlich. Die Rottaler Bauern waren kernig und bodenhaftig, das Wissen um die Vorgänge in der Natur und im Jahresablauf verband sich mit einer gesunden Frömmigkeit. Aber die religiöse Praxis des Venus Hans lag augenscheinlich über dem Durchschnitt seiner Zeitgenossen und hatte etwas Außergewöhnliches an sich. Es scheint so, dass er übertreibt. Verrufen ist einer gleich, das geht sehr schnell. Und es zeigt sich auch, was echte Frömmigkeit ist, und was bigott ist.

„Wie Gott will!“ das wird die Überschrift über sein Leben. Das scheint ihm gnadenhaft in die Wiege gelegt und ist mit ihm weitergewachsen. Er ist ein begnadetes Kind. Von Kindes Beinen an suchte er nach der  Nähe Gottes. So ist er mit der Gott immer vertrauter geworden. Sein regelmäßiges und beständiges Beten hat ihn hineingeführt in die Gegenwart Gottes.

Liebe Mitchristen, jeder Christ kann so leben und seine Arbeit so tun, wie es dem Willen Gottes entspricht. Gelebtes Christsein am Sonntag und im Alltag ist möglich und ist von uns allen gefordert. Frommsein und gläubig sein ist nicht Sache von einigen wenigen, damals nicht und heute nicht.

Die Gottsuche und Erkenntnis Gottes geht beim Birndorfer Hans der fortschreitenden Einsicht voraus: das Bestehende ist nicht alles. Was da ist, was ich habe und wofür ich arbeite und mich abmühe, das erfüllt mich nicht mehr. Der stattliche Hof mit 125 Tagwerk Grund, über 20 Pferden, viel Vieh und Sach kann nicht standhalten gegenüber dem, was mich anzieht, was mich ruft und lockt. Nicht Weltverdrossenheit oder Weltschmerz leiten ihn, sein Leitmotiv ist ein anderes: er ist tief von Gott ergriffen.

Darum intensiviert der junge, 20jährige Hoferbe seine Suche nicht zuerst nach dem, wie er in den Augen Gottes als Bauer leben soll, sondern was in seinem Leben noch drin ist, was Gott noch von ihm und mit ihm vorhat. Die Volksmission in St. Anna Ering a. I. 1838 hat sehr viel Volk angezogen. Man spricht von 40.000 Kommunionen, die ausgeteilt wurden. Den 20jährigen Birndorfer Hans hat sie verändert, er ist noch nachdenklicher geworden. In der Folge hat er sich einem sehr aufgeschlossenen Kaplan anvertraut. Neun lange Jahre geht er zu ihm den weiten Weg von Parzham nach Aigen am Inn. Am Ende dieser neunjährigen, regelmäßigen Begleitung seht der Entschluss, ins Kloster zu gehen und bei den Kapuzinern einzutreten.

Dass das gar nicht so leicht war, wie es sich anhören mag, belegt Bruder Konrad selbst in seinem Brief von 1864: „Es war Gottes Wille: ich musste alles verlassen, was mir lieb und teuer war. Ich musste meiner Berufung nachkommen, ich konnte nicht anders.“ Und er gesteht: „Es war ein harter Anfang für mich.“

Sein Verzicht auf seinen Besitz macht ihn frei und öffnet den Weg für die mystische Verbindung mit Gott: In seinem Brief vom 28. April 1872 schreibt er: „In der Liebe meines Gottes komme ich an keine Ende. Da hindert mich nichts, da bin ich immer mit meinem lieben Gott auf das innigste vereinigt.“ Das ist die zunächst unvermutete Mystik eines Rottaler Bauern.

Unser Provinzial Bruder Marinus Parzinger hat am Sonntag Vormittag in seiner Predigt zum Bruder-Konrad-Triduum von P. Kosmas Wührer erzählt. P.K.W. hatte einmal in einer Predigt festgestellt, Bruder Konrad war progressiv. Das mag erstaunen, aber er war es tatsächlich in vieler Hinsicht. Progressiv im Sinn von voranschreitend. Er hat nach vorne geschaut, ist vorwärts geschritten. Er hat das Gelände seine Lebens mit anderen Augen gesehen und es als Welt Gottes ausgeschritten. Wer Bruder Konrad für einen weltfremden Bauern und für einen verstaubten, frömmelnden Klosterbruder hält, der irrt sehr.

Wem und was hat sich Johann Birndorfer verschrieben, wem und was ist Bruder Konrad gefolgt? Ich möchte versuchen, kurz in sieben Punkten zu beschreiben, wem sich Bruder Konrad verschrieben hat. Damit wir nicht im Vergangenen und bei der Person des Heiligen stehen bleiben, mag die Frage erlaubt sein: Und wem verschreiben wir uns? Wir halten uns heute für gscheit und fortschrittlich. Aber wem verschreiben wir uns – und welche Antworten gibt uns Gott darauf, z. B in der Gestalt eines heiligen Bruder Konrad?

• Wir sind mobil, wir sind beweglich wie keine Generation vor uns. Das Auto ist Symbol für Freiheit, Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Neben den geschäftlichen Fahrten sind Wege zu Freizeit, Urlaub und Erholung fast grenzenlos möglich. Auch Pilgern und Wallfahrten ist heute einfach wieder trendig. Aber in dieser großen Mobilität sind wir vielfach auf der Flucht.

> Der angehende Hoferbe Hans Birndorfer war erstaunlich mobil, auf seine Weise. Neben den vielen Arbeitsgängen war er ein absoluter Fußpilger. Nicht der sonntägliche Wirtshausgang, sondern der Gang zu den vielen Kirchen und Wallfahrtsorten ringsum hat ihn geleitet. Unterwegs hat er mit Gott Zwiesprache gehalten und an den heiligen Orten hat er geistlich aufgetankt. Davon hat er gelebt. Seine Wege waren nicht geschäftig und nicht freizeitorientiert; er war anders unterwegs.

• Wir sind heute frei und können uns individuell entfalten. Das führt vielfach zu negativen Auswüchsen und wird häufig als Individualismus beklagt. Ellenbogengesellschaft, leben ohne Rücksicht und Achtung, ohne Ehrfurcht und ohne viel Moral, über Leichen gehen, berechnete Beziehung, Vorteilnahme, usw.

> Auch Johann Birndorfer war individuell. Er war ein besonderes Individuum, schon als auffälliges Kind, ganz ins Gebet vertieft. Er hat aber niemand ausgegrenzt, im Gegenteil, er hat andere eingeladen, mit ihm zu beten. Kinder aus Großfamilien bekommen von Haus aus mehr soziale Kompetenz mit. Er hat versucht, Kameraden den Weg Gottes zu weisen. Da war er missionarisch und offensiv. Papst Franziskus ist das ein großes Anliegen und er hört nicht auf, uns alle dazu zu ermutigen: Menschen dem Evangelium wieder näher zu bringen, auf andere zugehen und sie auf den Weg Gottes mitzunehmen. Als Pförtner hat Bruder Konrad dies intensiviert. Er hat für alle gebetet, die ihm begegnet sind, und hat für alle gesorgt, die zu ihm gekommen sind. Von seinem festen Standpunkt aus hat er versucht, jedem einen Lichtblick von seiner eigenen inneren Freiheit mit auf den Weg zu geben.

• Wir verschreiben uns dem Geld, dem schnellen Geld. Geld hat inzwischen eine unangemessene, kaum mehr kontrollierbare Macht bekommen. Egal um was es geht, immer ist sofort von Geld die Rede. Geld besetzt Köpfe und Herzen des Menschen. Die vielen Folgen der kränkelnden Geldwirtschaft sind Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Vielen Großkapitalisten stehen zu viele Looser gegenüber. Wir wissen heute von allem den Preis, aber kaum mehr den Wert.

> Der Birndorfer Hans war nicht arm. Der stattliche Hof hat genug abgeworfen. Da waren freilich die österreichischen Erbfolgekriege und napoleonischen Wirren. Und in den zwei Jahren vor seiner Geburt, 1816 und 1817, hat ein Vulkanausbruch auf den Philippinen sogar hier das Klima beeinflusst. Die Folgen des Dauerregens waren Missernten mit Hungerzeiten. Aber vom Venushof ging nie ein Armer oder Handwerksbursch leer seines Weges.

> Johann Birndorfer hatte mit Geld zu tun. Vor dem Eintritt ins Kloster hat er sein Erbteil von 10.000 Gulden klug aufgeteilt: ein Viertel für die Armen der Pfarrei, ein Viertel für die Erweiterung des heimatlichen Friedhofs, eins für den Ludwig-Missionsverein, und eins für den Bonifatiusverein; der wurde 1849 gegründet, gerade im Jahr seines Klostereintritts. Auch an der Pforte hatte er mit Geld zu tun; 41 Jahre lang hat er die Wirtschaftsbücher mit Ausgaben und Einnahmen sehr genau und sorgfältig geführt.

• Wir verschreiben uns der täglichen Information. Wir leben in einer extremen Informationsgesellschaft und beklagen dabei  inzwischen eine ausufernde Inflation von Worten. Wir können sie kaum mehr verarbeiten. Die Information über unwichtige Dinge und Tagesaktualitäten lassen unseren Sinn oft an der Oberfläche und verhindern einen geistigen Tiefgang. Genau dieser Tiefgang zeichnet unseren Heiligen aus.

> Johann Birndorfer war gut informiert, z. B. wie erwähnt, über die Gründung des Bonifatiusvereins 1849. Das hat er mitbekommen und sofort unterstützt. Der mit Worten sparsame Hoferbe hat sich auf das Wesentliche konzentriert. Dorftratsch mit Halbwahrheiten waren im zuwider. Lieber für andere beten als sie ausrichten. Lieber beten oder schweigen.

> Johann Birndorfer hat vor allem das wahrgenommen, was Gott wirkt, was Gott tut und wo er sich zeigt. Über die Oberflächlichkeit und Tagesaktualitäten hinweg hatte er einen Sinn für tiefere Schichten des Lebens, für das, was Gott zu sagen hat: Im Staunen, Anbeten und Bewundern der namenlosen Liebe seines Gottes kommt er an kein Ende.

• Verschreiben wir uns noch der Religion, noch der Kirche? Ich denke, der Eindruck ist richtig: viele Zeitgenossen verschreiben sich allem, was möglich ist. Kopf und Herz sind so besetzt, dass Gott und Glaube einfach keinen Platz mehr finden. Oft ist das keine böse Absicht. Im Wettbewerb aber werden Gott und Kirche verdrängt und ziehen den Kürzeren. Das mag harmlos erscheinen, aber es kann zu folgenschweren praktischen Atheismus führen.

Viele Christen meinen, es gehöre zur Klugheit, Bedingungen zu stellen. Ich glaube erst, wenn, ich traue dem Papst erst wirklich, wenn er ... , ich gehe zu dem Pfarrer erst wieder, wenn er ...!

> Ein Bruder Konrad wird am Ende seines arbeitsreichen und vom Gebet erfüllten Leben von einem Mitbruder gefragt: Wie geht`s denn, Bruder Konrad?“ – „Wie Gott will.“ Der Rottaler Bauer hat sich ganz Gott verschrieben. „Wie Gott will“ ist Resumee und Überschrift über sein Leben. Der heilige Kapuziner weiß, Bedingungen stellt nur einer: der liebe Gott.

Wenn wir den Glauben hoch halten wollen, dann müssen wir ihn in Kopf und Herz der Menschen zurückbringen, dann müssen wir vor allem das Gebet neu in die Familien einpflanzen. Das ist der beste und wirksamste Weg zum Glauben.

• Wir sind eine vermasste Gesellschaft. Im Fußballstadion finden sich 68.000 Leute, wir hier sind vielleicht zweimal 680. Das ist schon sehr viel. –

> Heilige sind keine Massenmenschen. Gott ruft sie heraus und stellt sie den vielen scheinbar Weisen und Klugen gegenüber. Heilige sind nicht die unmündigen Menschen, sie gehen zielstrebig ihren Weg und schwimmen als Einzelkämpfer gegen den Strom.

• Wir haben Jesus am Osterfest wieder erlebt: Plötzlich sind alle Zuschauer. Sie jubeln mit Hosanna, während Jesus zum Einzelkämpfer verdonnert wird. Am Ende ist er nur noch dreißig Silberlinge wert. Es bleibt ihm nur noch: Wie Gott will! Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe.

> Liebe Mitchristen, keiner von uns ist nur Zuschauer, auch wenn Sie hier wie Zuschauer dasitzen. Keiner ist Zuschauer. Jeder ist Zeuge für das, was er hört und sieht, was er erlebt und glaubt. Das gilt auch für heute. Wir alle sind Zeugen in einer vielfach Gott vergessenen Welt.

Liebe Schwestern und Brüder,
der Venushof hier in Parzham will kein Museum sein, und er ist auch keins. Das sehen wir an der überaus großen Zahl von Gläubigen, die Sie heute gekommen sind. Der Venushof ist ein geistlicher Ort zum Auftanken, und unser Heiliger entbindet uns nicht unserer Verantwortung. Mag der hl. Bruder Konrad unser Kompass sein, damit wir den richtigen Blick für die Wirklichkeit haben und den rechten Weg gehen. – Amen.